Der Bildjournalismus gilt zu recht als eine der Königsdisziplinen professioneller Fotografie. Nicht nur der technologische Wandel der Aufnahmetechnik, vor allem auch der der Medienlandschaft birgt für Bildjournalisten ebenso viele Herausforderungen wie Chancen. Eine Momentaufnahme, verbunden mit einem Ausblick, aus Anlass von 175 Jahren Fotografie in diesem Jahr.
Der Aufstieg des Fotojournalismus war am Anfang des letzten Jahrhunderts eng verknüpft mit dem Aufkommen gedruckter Massenmedien und der Möglichkeit zur preiswerten Reproduktion fotografischer Bilder. Millionen von Lesern machten sich ein Bild der Welt anhand illustrierter Zeitschriften, aber auch Tageszeitungen. So wie heute durch das Internet, erfuhr der Fotojournalismus schließlich durch die massenhafte Verbreitung des Fernsehens einen Wandel und musste sich neu erfinden.
Das Erzählen einer Geschichte anhand fotografischer Aufnahmen ist auch heute noch aktuell, die reine Abbildung des Geschehenen reicht dazu aber längst nicht mehr aus. Aktuelle Momentaufnahmen eines Ereignisses haben durch die Verbreitung von Smartphones sowieso längst zufällig anwesende Zeitzeugen übernommen, wofür es zahlreiche Beispiele aus den letzten Jahren gibt. Sogenannte „People Journalists“, die ihre zufällig entstandenen Handy- und Smartphonefotos aktueller Ereignisse Medien zur Verfügung stellen, haben professionelle Bildjournalisten von der Bürde befreit, das Offensichtliche zu dokumentieren und ihnen die Freiheit geschenkt, mit ihren Bildern Geschichten zu erzählen.
Dieses Storytelling werden Fotojournalisten im Unterschied zu Fotografen anderer Genres wie der Mode-, Auto- oder Werbefotografie, die zunehmend Bilder am Computer generieren, auch in den kommenden Jahrzehnten in der Realität leisten müssen. Während im Jahre 2039, also zum 200. Geburtstag der Fotografie, dafür die Motive kaum knapper sein dürften als heute, so wird sich doch die Art der Verbreitung bildjournalistischer Arbeit verändert haben. Aktuelle Berichterstattung wird dann vor allem online erfolgen, gedruckte Medien, bis auf jene, die aus der Masse herausragen, weiter auf dem Rückzug sein. Das Medium, das dem Bildjournalismus zum Aufstieg verholfen hat, nämlich Print, wird als Abnehmer fotografischer Reportagen in den Hintergrund treten.
Stattdessen werden Fotojournalisten ihre Geschichten zunehmend im Internet erzählen und dort die Kraft und Macht der Bilder einsetzen. Das statische, also im traditionellen Sinn fotografische Bild wird dazu jedoch nicht allein genügen. Es ist schon heute zu beobachten, dass die mediengerechte Aufbereitung fotojournalistischer Inhalte für das Internet Originaltöne und Filmsequenzen umfassen muss, die, zu einer Multimediapräsentation komponiert, das Digital Storytelling von morgen vorwegnehmen.
Der Bildjournalist im Jahr 2039 wird daher sowohl fotografieren als auch filmen. Für die aktuelle Berichterstattung spielt schon heute die Möglichkeit eine entscheidende Rolle, Bilddaten unmittelbar nach der Aufnahme online zu übertragen. Für die klassische Streetphotography werden professionelle Fotografen in den kommenden Jahrzehnten außerdem auf das immer unauffälliger und qualitativ hochwertige Equipment für den Massenmarkt zurückgreifen. Schon heute spielt Smartphonefotografie im Bildjournalismus eine wichtige Rolle, Entwicklungen von Datenbrillen mit integrierter Kamera weisen die Richtung. So wie Fotojournalisten in den 1920-er Jahren die ersten Profis waren, die den damals neuen Kleinbildfilm und entsprechende Kameras wie die Leica nutzten, so werden sie auch in Zukunft die early adopters innovativer Kameratechnik sein.
Was die Arbeit von Bildjournalisten jedoch immer ausgezeichnet hat, war die Nähe zum Geschehen, die Komprimierung des Wesentlichen in den fotografischen Augenblick. Und dafür wird es auch in einem Vierteljahrhundert noch ein dankbares Publikum geben.
Quelle: Prophoto GmbH
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© Lumix Fotofestival Ausgezeichnet mit dem Leica Oskar Barnack Preis 2014: Martin Kollar für die Fotoreportage „Field Trip“, die ein vielfältiges Porträt von Israel und dem Westjordanland zeichnet.