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März 2014

Kriegsfotografie - Zwischen Information und Lüge

Ohne die Fotografie wäre unser Weltbild wesentlich eingeschränkt. Reportagebilder informieren uns fast von Anbeginn der Fotografie über wichtige Ereignisse rund um den Erdball. In Zeitungen und Magazinen strahlen uns die Porträts berühmter Zeitgenossen entgegen, aufregende Sportfotos erinnern an die wichtigsten Wettkämpfe und Reisebilder zeigen uns die Schönheit unseres Planeten.

Aber die Welt hat leider nicht nur positive Seiten. So sind Fotoreporter rund um den Globus unterwegs, um hautnah von Krisen- und Kriegsgebieten zu berichten. Manche der Bilder haben in der 175-jährigen Geschichte der Fotografie mit ihrer Aussagekraft erst die Schrecken eines Krieges bewusst gemacht, einige der Bilder gehören zu denen, die sich unvergesslich in das Gedächtnis der Menschheit eingeprägt haben und einzelne leiteten auch ein politisches Umdenken ein.

Die Bilder aus den Anfängen der fotografischen Kriegsberichterstattung vermittelten oftmals eine Atmosphäre, die der distanzierten Betrachtung von Bildnissen der Malerei mit den gewaltigen Schlachtenszenen ähnelt. Einige der ersten Fotografien dieses Genres stammen aus dem deutsch-dänischen Krieg im Jahr 1864, der in der Schlacht um die Düppeler Schanzen gipfelte. Ein ausgesprochen blutiges Geschehen, das mehrere tausend Soldaten das Leben kostete. Die Fotografen, die von Kriegsschauplätzen berichteten, konnten, mit den damaligen fotografischen Mitteln, natürlich keine Momentaufnahmen machen. Meist kamen sie erst nach den Kämpfen und fotografierten das von Toten und Verletzten bereinigte Schlachtfeld, gelegentlich auch mit Truppen in Siegerpose. Im amerikanischen Bürgerkrieg 1861-1865 waren es oftmals Studiofotografen, die mit ihrem kompletten Entwicklungs- und Vergrößerungsequipment auf große Wagen gepackt, in den Krieg zogen. Ihr bekanntester Chronist war Mathew Brady, der nur selten selbst die Schlachtfelder besuchte, sondern Assistenten aussandte. Er spezialisierte sich auf Aufnahmen von Leichen und Amputationen. Als ein Pionier der Kriegsfotografie gilt auch der Brite Roger Fenton. Auch er hat, wie seine Kollegen und im 19. Jahrhundert üblich, wegen der langen Belichtungszeiten den größten Teil seiner Fotos, die im Krimkrieg entstanden, gestellt. Unterwegs war er in einem Pferdewagen, der ihm als fahrbare Dunkelkammer diente.

Die Entwicklung der Massenpresse im 19. Jahrhundert gab auch der Kriegsfotografie einen entscheidenden Schub. Fotos vom Spanisch-Amerikanischen Krieg oder vom Burenkrieg in Südafrika fanden um die Jahrhundertwende schon den Weg in die Illustrierten.

Auch im Ersten und Zweiten Weltkrieg war aus einem großen Teil der Reportagefotos Elend und Tod verbannt. Die Fotografen suchten sich ihre Motive am Rande des Schlachtfelds bei kartenspielenden Soldaten oder in Pflegesituationen. Ein „Zensurbuch für die deutsche Presse“ kontrollierte, was nach Meinung Herrschender an Bildern an die Öffentlichkeit gelangen sollte. Im Zweiten Weltkrieg, inzwischen mit handlichen Kleinbildkameras ausgestattet, waren die Fotografen dann für internationale Nachrichtenagenturen und Magazine als Kriegsbeobachter unterwegs.

Einer, dessen Namen unweigerlich mit dem Begriff Kriegsfotograf verbunden ist, war Robert Capa. Von Robert Capa, dem späteren Mitbegründer der berühmten Fotografenagentur Magnum, stammte auch das Zitat „Wenn Deine Bilder nicht gut genug sind, warst Du nicht nah genug dran“, das eines der Leitlinien der Reportagefotografie geworden ist. Der US-amerikanische Fotograf ungarischer Herkunft fotografierte sowohl im Indochina Krieg als auch im Spanischen Bürgerkrieg. Dort entstand am 5. September 1936 sein berühmtestes Bild, das eines Soldaten im Moment seines Todes im Gefecht. Capas Lebensgefährtin Gerda Taro kam bei einem Unfall 1937 in den Kriegswirren in Spanien um. Gerda Taro war eine der wenigen weiblichen Kriegsfotografen, die in dieser männlichen Domäne arbeiteten. Die erste Kriegsberichterstatterin der US-Armee war Margaret Bourke-White, die unter anderem im Zweiten Weltkrieg den deutschen Überfall auf Moskau und die Befreiung des KZs Buchenwald fotografierte.

Welche Bedeutung und welchen Einfluss Fotos haben können, haben vor allem der Korea- und der Vietnamkrieg gezeigt. Eines der berühmtesten Bilder ist das der 9-jährigen Phan Thi Kim Púc, die vor einem Napalmangriff aus ihrem Dorf flieht. Für die Veröffentlichung dieses Fotos, das der Pressefotograf Nick Út gemacht hatte, sorgte der deutsche Fotograf Horst Faas. Das Bild wurde zum World Press Photo des Jahres 1972 gewählt und Nick Út dafür mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet. Ein bewegender Moment als bei einer Veranstaltung der Leica Camera AG zur photokina 2012 Phan Thi Kim Púc, die dort mit dem Leica Hall of Fame Award ausgezeichnet wurde, auf den Fotografen Nick Út traf, der dieses Bild mit einer Leica fotografiert hatte.

Ein erschreckendes Dokument war auch die öffentliche Erschießung von Nguyen Văn Lém in Saigon 1968. Es war das zweite Bild aufgenommen vom AP-Fotografen Eddie Adams, das weltweit für die Schrecken des Vietnamkrieges stand.

Zu den bedeutendsten zeitgenössischen Kriegsberichterstattern gehört der US-amerikanische Fotograf James Nachtwey, der mit seinen Bildern des Vietnamkrieges, die er in Schwarzweiß aufnahm, in allen großen Magazinen abgedruckt wurde. Sein Ziel war es, ein Anti-Kriegsfotograf zu sein.

Zahlreiche Kriegsfotografen wie Robert Capa, Larry Borrow und Henri Huet verloren ihr Leben bei der Arbeit. Horst Faas hat ihnen und vielen anderen Fotografen, die im Vietnam und Indochinakrieg starben, den großen Bildband Requiem gewidmet, der Bilder zeigt, die oft von erschreckender Schönheit sind.

Die Geschichte der Kriegsfotografie war auch immer eine Geschichte der Bildmanipulation. Teilweise fielen Bilder wegen ihrer Grausamkeit der Zensur zum Opfer, oftmals waren es aber Propagandaabsichten, wegen denen Bilder gefälscht wurden. Wollte die Bevölkerung eine realistische Berichterstattung, war es den Politikern wichtig, dass ein von ihnen gewünschtes Bild gezeigt wurde. Heldenhaft und sauber sollte ein Krieg dargestellt werden und die Legimitation für das Handeln der Politiker unterstreichen.

Wo die Fälschung beginnt und wo sie endet, beschäftigt bis heute die Gemüter. Sind Bilder nur Fälschungen, weil aus dem Foto etwas wegretuschiert wurde oder auch dazu getan wurde? Oder ist auch die Inszenierung einer Situation - wie sie in den Anfängen der Fotografie gang und gäbe war - eine Fälschung? Weltberühmt geworden ist zum Beispiel das Bild der sowjetischen Soldaten, die am 2. Mai 1945 die Flagge ihres Landes auf dem Reichstagsgebäude hissten. Der Fotograf Jewgeni Chaldej hatte nie bestritten, dass es eine Inszenierung war, die nachträglich noch durch die Bearbeitung düstere Rauchschwaden erhielt. Die eigentliche Erstürmung des Reichstags erfolgte übrigens schon am 30. April. Ebenfalls 1945 inszenierte der AP-Fotograf Joe Rosenthal ein ähnliches Bild mit sechs amerikanischen Fotografen auf der japanischen Pazifikinsel Iwo Jima.

Wie das Magazin Spiegel Ende letztes Jahres berichtete, gibt es in Israel Spezialkurse für Soldaten, die nicht den Kampf mit der Waffe, sondern den Umgang mit der Kamera lernen sollen. Laut dem Armeesprecher Micha Ohana findet Israels Existenzkampf auch im Internet statt und so soll die Welt vor allem den Kampf aus Israels Blickwinkel sehen, auch, weil man mit den Aufnahmen beweisen will, dass man keine Menschrechte verletzt. Dabei hat die Anwesenheit von Kameras und das Wissen, gefilmt zu werden, auch schon oft die Wirkung gezeigt, nicht brutal gegen die Gegner vorzugehen.

Der Krieg in Fotografien hat im 21. Jahrhundert nichts mit den Anfängen zu tun, wo seine Berichterstatter mit tonnenschweren Gerät unterwegs waren und in den folgenden Jahrzehnten die Aufnahmen vorwiegend diktiert von Zensur waren. Gerade im digitalen Zeitalter geht so manchem der Glaube an die Wahrheit der Fotografie verloren, obwohl es eben Manipulationen, Inszenierungen und Ausschnitte, die nur den gewollten Teil des Motivs zeigen, schon von Anbeginn an gab.

Aber auch, wenn manche Fotos lügen, tun sie das nicht weniger als Wort- und Schriftnachrichten. Gerade in der heutigen Zeit finden Menschenverbrechen oft nicht nur durch Profifotografen Gehör, sondern auch durch beteiligte Amateure, die unter anderem mit Smartphones ihre Bilder direkt ins Netz stellen. Es ist durch die Verbreitung des Mediums Fotografie wesentlich schwieriger geworden, Geschehnisse falsch darzustellen oder auch zu verschleiern, die an das Auge der Öffentlichkeit sollen. Positiv ist sicher, dass, im Gegensatz zu frühen Zeiten der Fotografie, die Manipulationen von Fotografen an der Wahrheit nicht einfach hingenommen, sondern verurteilt werden.

Quelle: Prophoto GmbH

Roger Fenton fotografiert seinen Photographic Van 1855.

Bei einer Veranstaltung der Leica Camera AG auf der photokina 2012 traf Phan Thi Kim Pú auf den Fotografen Nick Út. Foto Heiner Henninges

© Fabio Bucciarelli Bei World Press 2013 gewann Fabio Bucciarelli, Italien, Agence France-Presse mit dem Bild Kämpfer der Freien Syrischen Armee, Aleppo, Syrien, 10. Oktober 2012 den zweiten Preis


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